Kirmeszug zwischen Sonnenbrand und kalten Füßen

Aprilhaftes Wetter kann die Stimmung entlang der Feiermeile nicht trüben. Akteure begeistern tausende Zuschauer
(Text: Klaus Bröking | WP/WR)

Gevelsberg. Der Gevelsberger Kirmeszug tanzte sich gestern drei Stunden die Hagener und die Mittelstraße hinauf. Da war eine Menge Musik drin. Die Menschen in ihren bunten Kostümen bewegten sich dazu im Takt und der Juni hatte sich auch verkleidet: Er war als April nach Gevelsberg gekommen. Sonnenbrand und kalte Füße, durchgeschwitzte T-Shirts und regennasse Hemden, alles das konnte die Stimmung nicht trüben. Wann sieht man schon mal Cleopatra unterm Schirm tanzen und Frau Holle im Regencape die Betten schütteln? Das Tanzmariechen vom Fanfarencorps Grün-Weiß Essen machte tapfer einen Spagat nach dem anderen in die Regenpfützen. Das gibt es nur zur Kirmes in Gevelsberg. Vielleicht lag es daran, dass die Hasper Wolkenschieber nicht dabei waren?

„Einen gigantischen Kirmeszug, für den die Gruppen alles gegeben haben“, hatte Hammerschmied Bernd Matthäi den Ehrengästen beim Bürgermeister-Empfang am Mittag versprochen und Recht behalten. Um den Nachwuchs muss sich die Kirmes keine Sorgen machen. Auffallend viele junge Leute und auch Kinder marschierten mit, das gab dem Zug noch zusätzlichen Schwung, auch wenn er oft ins Stocken geriet, um nicht noch größere Lücken zu reißen. Auch viele Nachbarn aus Schwelm oder Ennepetal haben inzwischen Spaß daran gefunden, sich aktiv am Geschehen zu beteiligen. Damit bekommt das Volksfest immer mehr einen verbindenden und überregionalen Charakter. Dass der Kirmeszug so vielen Menschen so viel Spaß macht, das ist den zwölf Gruppen zu verdanken, die gestern das präsentierten, woran sie gearbeitet haben, seit der letzte Schnee geschmolzen ist.

Berge
Bunt und lustig ging es gleich mit Berge los. Eine bezaubernde Pippi Langstrumpf hüpfte an ihrem Geburtstag mit ihren Freunden vor der Villa Kunterbunt, dass der Kirmeswagen wackelte.

Hippendorf
Aufnehmen könnte die Stadt vielleicht die Idee aus dem Hippendorf, eine Rutsche vom Viadukt ins Freibad zu bauen. Die Frauengruppe spielte auf die Fußball-WM an und brachte einen Zuckerhut mit eingebauter blonder Samba-Tänzerin mit, eine der vielen Tanzeinlagen im Zug.

Aechter de Biecke
Aechter de Biecke fuhr mit einer gigantischen Ritterburg durch die Stadt und erinnerte so an Engelbert, jenen Mann, dem die Stadt ihre Existenz zu verdanken hat. Ihr Erzbischof war allerdings so fröhlich und gutmütig, dem hätte keiner etwas angetan.

Pinass Brumse
Zum 80. Geburtstag gönnte sich die Pinass Brumse ein Buddelschiff, dessen Matrosen der Kapitän wieder Leben einhaucht. Stark auch der „Zolando-Mann“, der allerdings eine Frau war, und bei dessen Anblick – besser dem seiner Pakete – sich die Kundinnen die Kleider vom Leibe reißen.

Börkey
Die Mittelstraße zum Disneyland ließ die Kirmesgruppe Börkey werden. Dagobert Duck wurde ausgeraubt, Mickey Maus und Daniel Düsentrieb waren gekommen, Tweety und Sylvester durften nicht fehlen und selbst Popeye, der Seemann ließ die Muskeln spielen. Die Frauengruppe tanzte als Handtaschen verkleidet und die Herren ritten auf ihren Steckenpferden im Rhythmus der Marschmusik.

Vie ut Asbi’eck
Auf den Spuren der alten Ägypter wandelten Vie ut Asbi’eck. Cleopatra grüßte vom Wagen und die Fußgruppe baute weiter an den Pyramiden. Nur ein wenig besseres Wetter hätten sie mitbringen können.

Fidele Vogelsanger
Die Vogelsanger steuerten dann das einzige Wetterphänomen bei, dass die 50 000 Zuschauer und die Aktiven im Zug nicht live erleben konnten: Schnee. Ihre Frau Holle schüttelte unermüdlich die Kissen.

Mühlenhämmer
Dem deutschen Schlager hat sich die Kirmesgruppe der Mühlenhämmer verschrieben. Den Titel „Ich bau Dir ein Schloss, das in den Wolken liegt“, hat Petrus aber wohl zu wörtlich genommen und das Rohmaterial pünktlich geliefert. Originell auch die Idee als Heulboje im wahrsten Sinne des Wortes im Zug zu marschieren.

Vie vam Kopp
„In Teufels Küche“ geriet die Kirmesgruppe Vie vam Kopp und servierte als Anspielung auf die Kochwelle den Spitzenköchen auf ihren Wagen höllische Speisen, zum Beispiel Satansbraten. Bei den Bioengeln stellte sich die Frage: „Wer soll das bezahlen?“. Der Mann aus der Bild-Zeitung entpuppte sich dann als ein mit Zeitungsseiten über und über zutapezierter Einzelgänger.

Schnellmark
Richtig schwer wird es dann, wenn man „Südseezauber“ bei April-Wetter verbreiten will, wie es der Kirmesgruppe Schnellmark gelungen ist. Die Kindergruppe spielte in Nonnenkostümen auf den Erfolg von „Sister Act“ an und ein Taubenvater warf Vogelfutter in die Menge.

Dä vam Lusebrink
Dass viele Gruppen eine Kirmes ausmachen, daran erinnerten Dä vam Lusebrink, die die Standarten auf ihrem Wagen vereinigten. „Döner macht schöner“ meinte die Fußgruppe und blieb den Beweis wegen allzu vieler Schminke dann doch schuldig.

Im Dörnen
Bei der Kirmesgruppe „Im Dörnen“ konnte Bürgermeister Claus Jacobi dann nicht widerstehen und enterte die gigantische Lokomotive auf dem Wagen, die fliegen konnte. Dörnens Küchenorchester war eine originelle Idee, im Cadillac Café gab es die musikalischen Fetzer der 50er Jahre serviert.

Nicht zu vergessen die vielen Vereine, die sich präsentierten. Griechische Folklore wurde gezeigt, die HSG-Mädchen waren genauso ansteckend temperamentvoll wie die Gymnasiasten. Unzählige Drachen von Shaolin Hung Choy tanzten durch die Straßen und Karate-Sportler der Sportschule Gevelsberg durchschlugen Bretter mit den Füßen. Und selbst bei den Treckerfreunden, traditionell am Ende des Zuges, tanzte der Nachwuchs übermütig auf der Ladefläche. Alle hatten ihren Spaß bei diesem Kirmeszug. Hat es eigentlich geregnet?

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