Die wilden Siebziger – Liebe, Harmonie und Flowerpower

Wem in den 70ern der Weg nach San Francisco zu weit war, der konnte sich dank Flokati und Schlaghose auch in jeder deutschen Kleinstadt wie ein echtes Blumenkind fühlen. Die halbe Nation war dem Disco-Fieber verfallen und sah am laufenden Band Derrick und Dalli-Dalli.
Man fuhr im VW-Bus oder auf dem Bonanzarad zu Festivals und Demos, plante zu Reggaeklängen von Bob Marley die Revolution und war auch beim Krieg der Sterne von Anfang an dabei. Daheim klebten fröhliche Prilblumen in der Küche und auch der Griff zu einem Glas TRItop oder die wild gemusterte Tapete verrieten: Die 70er trieben es echt bunt.
Es muss irgendwann einmal im Laufe des bunten Jahrzehnts gewesen sein, irgendwo an einem Standort in Gevelsberg, als die die Mitglieder der Kirmesgruppe „Mühlenhämmer“ in ihren bunten VW-Bus einstiegen, um all den Problemen zu entfliehen. Sie wollten raus, wollten „ab in den Süden“, um das Leben zu genießen.
Das Ziel spielte für sie dabei keine Rolle. Denn egal wo sie am Ende landen würden, irgendwo fand sich für alle doch immer ein Bett im Kornfeld zur Übernachtung. Die Mühlen-Hippies hatten ihren ihren Bus äußerst farbenfroh bemalt. Es ging ihnen ja darum Menschen auf einem glücklichen Planeten zu sein. Daher stand auch jede Seite des Bullis auf gewisse Art und Weise für eine Geschichte, die auf Vereinigung, Zusammenarbeit und ein höheres Bewusstsein zielten. Voller Euphorie und auf dem Gipfel der Freiheit, starteten alle in ihren Summer of Love.
Doch schneller als gedacht wurde der Motor auch schon wieder abgestellt. Vor ihnen tat sich nämlich eine Dauerbaustelle auf. Brückenarbeiten kurz hinter Gevelsberg auf der Höhe von Volmarstein. Dabei flog allen der Draht aus der Mütze, da kein Mensch so´n Krach im Kopf aushalten konnte.
„Wer baggerte so spät noch am Baggerloch? Das ist Bodo mit dem Bagger und der baggert noch.“ Da keiner wusste, wie lange man im Stau stehen würde, entschieden alle gemeinsam, spontan eine Party auf der Autobahn zu veranstalten. Rasch den Grill angezündet, den schon vorbereiteten Käseigel und Nudelsalat auf den Tisch gebracht, die Peace- und Smiley-Decken mit Sonnenblumen und Lavalampen dekoriert, die Räucherstäbchen angezündet und schon konnten tiefenentspannten Blumenkinder zu den sphärischen, deutschen Klänge einer ganzen Generation feiern. Bis tief in die Nacht dudelten die eingängigen Melodien von Michael Holm, Udo Jürgens, Chris Roberts, Jürgen Marcus oder Katja Ebstein rauf und runter.
Der einzelne Brückengänger
Passend zu der ganzen Situation mit den Brückenarbeiten tauchte plötzlich ein Einzelgänger in der Nähe des bunten VW-Busses auf, der fröhlich das Liedchen „Über sieben Brücken musst du gehn“ vor sich hin trällerte. Dabei konnten die Mühle-Hippies durch den Rauch ihrer Räucherstäbchen erkennen, dass er diesen Refrain zweifelsohne sehr, sehr wörtlich nahm.
Kein kühles Blondes?
Mit ganz anderen Problemen hatte auch ein „Mann am Klavier“ zu kämpfen, der ebenfalls im Stau stand. Je länger er warten musste, um so wilder wurden seine Gedanken bezüglich seines Urlaubs. Er wusste zwar, es wird heiß auf Hawaii, die Insel verfügt über keinen kühlen Fleck und nur vom Hulahula geht der Durst nicht weg. Denn wie heißt es doch schön: „Es gibt kein Bier auf Hawaii“. Allein nur schon diese Vorstellung ließ ihn innerlich erschaudern. Doch bekanntlich kommt es am Ende oftmals anders als man denkt, wie ihm die Hula-Frauen beweisen werden.
Lebendiges Trömmelche
Während auf der Autobahn nach wie vor Stillstand herrschte, bereitete sich am Flughafen Köln-Bonn schon einmal eine Fußgruppe auf ihren Auftritt zur Verabschiedung des Klavierspielers in Richtung Hawaii vor. Zahlreiche Zuschauer beobachteten das bunte Treiben und wussten, dass wenn et Trömmelche jeht, dann stonn se all parat und die Urlaubswelle ging wieder los.
Auf dem Weg zum Horizont
Selbst die Kleinsten freuten sich und riefen: „Leiwe Lü – vie sitt noch doa“. In all ihrer Freude „stiegen“ sie als bunte Luftballons in die Höh um allen aus nah und fern zu zeigen, dass „über den Wolken“ die Freiheit wohl grenzenlos sein muss und alle Ängste, alle Sorgen darunter verborgen bleiben. André Sicks
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