„75. Protestzug“ ziert den Kirmeskrug in Gevelsberg

Dieser Kirmeszug wird ein ganz besonderer. 2017 feiert der bunte Tross durch die Innenstadt nicht nur 75. Geburtstag. Auch auf dem Kirmeskrug ist er in diesem Jahr verewigt. „75. Protestzug – Die Kirmes bleibt im Dorf“ ist dort zu lesen. Zeilen, die ein wichtiges Kapitel der Kirmesgeschichte beschreiben. Denn nicht immer war der Rummel im Herzen der Stadt erwünscht – und aus dem Widerstand gegen die Verlegung wurde letztlich der Kirmeszug.

Erfolgreicher Widerstand

Wie weit die Kirmes in Gevelsberg zurückreicht, das vermag Hans- Heinrich Lesker nicht zu sagen, als er in der Radeberger Brauerei das Motiv des neuen Kirmeskruges vorstellt. Die bisher bekannte älteste Kirmes in Gevelsberg sei am 15. und 16. September 1796 am Nirgena gefeiert worden. Lesker geht aber davon aus, dass es sie auch schon früher gegeben haben könnte. Fest steht, dass die Kirmes um 1800 ins Dorf umgezogen ist.

Etwa zur gleichen Zeit gründete sich die Wassergenossenschaft. Diese finanzierte sich mit den Einnahmen der Kirmesstandgelder, so Lesker, der außerdem berichtet, dass erst die Gemeinde Mylinghausen und später die Stadt gerne diese Gelder in der eigenen Kasse gehabt hätten. Doch erst mit dem Vertrag vom 27. Mai 1938 gingen die Rechte auf die Stadt Gevelsberg über. In diesem Schriftstück ist vor allem aber eins geregelt, dass die Kirmes im Gebiet der Oberstad bleibt. Der Schlusspunkt einer langjährigen Diskussion, die etwa zur Jahrhundertwende entbrannte.

Ein Grund waren die Verkehrsprobleme auf der Elberfelder Straße. Es war im Gespräch die Kirmes zur damaligen Ziegelei an der Rosendahler Straße oder zum Nirgena zu verlegen. „Die Dörfler protestierten energisch“, sagt Hans-Heinrich Lesker – und so sei es zu den ersten Protestmärschen gekommen.

Das Dorf hatte seinerzeit einige legendäre Gastwirtschaften, wie der Kirmesfreund erklärt: „Steedes Domhotel“, „Heiden“ (Bleikammer), „Saure“, „Dorfkrug“ „Stupprock“. Man zog also – manchmal mit Musik – protestierend von Gastwirtschaft zu Gastwirtschaft. „Ohne Zweifel ist es auf diesen Veranstaltungen lustig und sicherlich sehr feucht zugegangen“, sagt Lesker. „Dä Kiärmis ut däm Duorpe – nümoals – dat möchen vie verhinnern. Doa makt vie Protest“ – schallte es.

Die nächsten Motive in Arbeit

Und auch heute noch habe der Zug einen besonderen Charakter, erklärt Kirmesvereinschef Michael Sichelschmidt. Kritische Anmerkungen und Anspielen gehörten bei den Wagendarstellungen dazu, damit sei der Zug auch heute noch eine Art Protestzug.

Es ist der zweite Kirmeskrug nach der langen Ära von Fritz Sauer. Im vergangenen Jahr war Brennes Hut abgebildet, in diesem Jahr ist es der Kirmeszug, den die Grafiker der Brauerei in Szene setzten. Ideen, welche Motive folgen, hat der Kirmesverein auch schon. 2017 ist übrigens das erste Jahr ohne Andreas Pils. „Pinass Brumse hat im vergangenen Jahr das letzte Fass bekommen“, erklärt Rainer Kettel, Gebietsleiter der Radeberger Gruppe und hat eine Überraschung für die Kirmesgäste parat. Von nun an wird auch Gevelsberg auf den Brinkhoffs-Flaschen zu sehen sein. 2006 kam die Ruhrgebietedition mit zwölf Städten auf den Markt. Heute sind es 36 – mit dabei das Counterfeit von Stadtharfe, Stiftsamtsmannshaus, Stadtbücherei und Europauhr.

Noch eine gute Nachricht: Vorstandspraktikant Christian Schönebeck ist frisch gebackener Papa. Knapp eine Stunde vor der Abfahrt zur Kirmeskrugvorstellung holte er seine Frau und Tochter Charlotta aus dem Krankenhaus ab und verabschiedete sich in Richtung Dortmund. Eine Runde brauchte er aber nicht schmeißen. Für ausreichend Getränke sorgte der Gastgeber, weit mussten die Fässer nicht transportiert werden.

Text: Carmen Thomaschewski

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