Das alte Sprichwort „Scherben bringen Glück“ gilt nicht

Für Michael Sichelschmidt ist die letzte Chance gekommen, ein Stück Bierkultur auf dem Gevelsberger Jahrmarkt zu erhalten.
(Text: Klaus Bröking | WP/WR)

Gevelsberg. „Scherben bringen Glück“ – das alte Sprichwort gilt für die Gevelsberger Kirmes nicht. Ganz im Gegenteil: „Das ist unsere letzte Chance“, sagt Michael Sichelschmidt, der Chef des Gevelsberger Kirmesvereins. Die letzte Chance für das „kühle Blonde“ nicht aus dem Pappbecher, sondern in ein anständiges Glas gezapft. Die heimische Polizei hat es bei den Besprechungen deutlich gemacht. Wenn wieder eine Unmenge von Gläsern zerstört werden und deren Splitter die Besucher der „schrägsten Kirmes“ in Gefahr bringen, dann wird es im nächsten Jahr ein Glasverbot geben. Dann wird nicht mehr mit dem Glas in der Hand über die Kirmes bis zum nächsten Stand geschlendert, dann wird sogar für einen Plastikbecher Pfand erhoben.

Weil in den Kunststoffbehälter auch mehr als 0,2 Liter Bier hinein passt, wird sich dann mancher genau überlegen, ob er eine Runde schmeißt. „Mehr Inhalt plus Pfand macht das Bierchen dann erheblich teurer“, fürchtet Sichelschmidt um das Geschäft der Vereine.

Deshalb hofft der Kirmesverein, die Lösung des Problems gefunden zu haben. „Glas leer – dann her!“, soll das neue Motto lauten. Der Verein hat einen Gläserständer entwickelt, „der ohne Werkzeug montiert werden kann“, erklärt Sichelschmidt. 35 davon wurden in den vergangenen Wochen in der Werkstatt der Volkshochschule (VHS) gebaut. Genau hundert leere Gläser passen auf jeden Ständer, der mit einem grellen, gelben Schild gekennzeichnet ist. Die Ablagemöglichkeiten werden in der Nähe der Bierbuden aufgestellt und sollen von deren Personal abgeräumt werden. So wird Platz für 3500 Gläser geschaffen.
Nicht immer böser Wille

Denn, so Sichelschmidt, viele Gläser würden seiner Meinung nach gar nicht durch bösen Willen in Scherben aufgehen. Jeder Gevelsberger kennt das . Da trifft man einen alten Freund, der schmeißt eine Runde Bier. Die Herzdame hat eine Portion Bratfisch mitgebracht, für den – wenn er gut ist – zwei Hände gebraucht werden. Wohin mit dem Bierglas? Auf den Boden. Und schon ist die Gefahr da.

Es ist enorm, wie viele Gläser sich bei der Gevelsberger Kirmes leider nicht in Luft, sondern meist in Scherben auflösen. Bei einem normalen Verein sind es 300 Stück im Laufe der fünf Tage. „Wenn es an einem Stand gut läuft, dann können es aber durchaus zwischen 900 und tausend sein“, rechnet Michael Sichelschmidt vor. Das sei auch ein finanzieller Verlust für die Vereine. Die Gläser würden zwar von den Lieferanten des Gerstensaftes zur Verfügung gestellt, wenn sie weg sind, werden sie aber mit etwa 55 bis 60 Cent pro Glas berechnet.

Trotzdem würde kein Verein einschreiten, wenn ein Gast sein noch halb volles Glas mitnimmt. Es gibt sozusagen ein Rotationsprinzip. Der eine Kirmesbesucher nimmt sein Bier mit, der andere stellt sein mitgebrachtes Glas ab. Die Gevelsberger Kirmes ist eben ein Volksfest, das auf Solidarität basiert. Und mit der rechnet Michael Sichelschmidt auch im Kampf gegen den Glasbruch.

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